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Psychology of Choice: Warum Sie bei Kaufentscheidungen unterstützen sollten

Psychology of Choice: Warum Sie bei Kaufentscheidungen unterstützen sollten

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Psychology of Choice: Warum Sie bei Kaufentscheidungen unterstützen sollten

Wird Ihnen auch ganz schwindelig, wenn Sie z.B. beim Einkauf im Drogeriemarkt von einer Flut an unterschiedlichen Zahnpasta-Sorten, Gesichtscremes, Shampoos oder Reinigungsprodukten regelrecht überrollt werden?

Soll es das bekannte Markenprodukt mit dem Versprechen für weißere Zähne werden oder doch lieber die nachhaltige Alternative mit Aktivkohle?

Eine große Auswahl gibt Kunden zwar das Gefühl, dass garantiert das Richtige für jeden Bedarf dabei ist, doch wer die Wahl hat, hat auch die Qual der endgültigen Kaufentscheidung.

Psychologen und Verhaltensökonomen sind sich einig: Zu viel Auswahl überfordert Konsumenten bei der Entscheidungsfindung, sorgt für leere Warenkörbe und damit für ausbleibende Umsätze. Wie Sie dem entgegenwirken und die Entscheidungsfreude Ihrer Kunden unterstützen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

The Paradox of Choice: Wenn zu viel Auswahl die Kaufentscheidung erschwert

In der Handelspsychologie ist dieses Phänomen seit rund 20 Jahren ein Thema und hat sogar einen Namen: Paradox of Choice, zu deutsch Auswahlparadox.

Bei zu viel Auswahl übersteigen die Kosten für unser Gehirn den Nutzen – und dann sinkt die Aktivität in den Belohnungsarealen. Das heißt wiederum, wir sind entweder unzufrieden mit unserer Entscheidung oder wir entscheiden uns einfach gar nicht.

Das bestätigt auch der Waitrose Food and Drink Report, laut dem sich 64 % der Konsumenten von einer zu großen Auswahl überfordert fühlen. Und auch unsere Studie Humanizing Digital bestätigt die These: Demnach kehren 54 % der Verbraucher E-Commerce-Shops ganz schnell den Rücken, wenn sie nicht in der Lage sind eine schnelle Auswahl zu treffen.

Doch wo genau liegt das Problem? Eine große Auswahl sollte doch der Inbegriff und Ausdruck des freien Willens sein?

In der Tat kann eine große Auswahl durchaus beflügeln und Kunden das wichtige Gefühl der Handlungsfreiheit und Autonomie geben, die Freiheit zu haben, genau das Produkt zu wählen, das ihre individuellen Bedürfnisse erfüllt. Jedoch ist Auswahl in ihrem Kern auch eng mit dem Gefühl des Verlustes verbunden. Wenn sich Kunden für etwas entscheiden, bedeutet dies in der Regel, dass sie auf etwas anderes verzichten müssen.

Dies kann bei Konsumenten eine unbewusste Entscheidungsangst und Entscheidungsaversion auslösen, vor allem, wenn mit der Kaufentscheidung potenziell negative Folgen und Risiken verbunden sind, wie z. B. der Kauf des falschen Produkts oder zu viel für ein Produkt auszugeben, das sich am Ende nicht lohnt.

Fehlende Entscheidungsfreude

Für Hersteller und Händler stellt das Paradox of Choice eine große Herausforderung dar, da damit weniger Umsatz, verminderte Kundenzufriedenheit und höhere Retourenraten einhergehen.

Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt Dr. Axel Lindner der Universitätsklinik Tübingen, Kunden bei der Entscheidungsfindung aktiv unterstützen:

Die Schwierigkeit eine Entscheidung zu treffen, wird nicht dadurch leichter, dass da was besonders Tolles, was Präferiertes für uns dabei ist. Im Gegenteil, die Entscheidung wird dann leichter, wenn uns jemand bei der Entscheidung hilft – ja vielleicht ein Experte, ein Verkäufer.

Dr. Axel Lindner, Uniklinikum Tübingen

Warum Sie Konsumenten bei Kaufentscheidungen aktiv unterstützen sollten – und wie

Problem 1: Konsumenten wissen nicht, welches Produkt das richtige ist

Einer Studie der Kellogg School of Management zufolge fällt es Experten, die ihre Präferenzen gut kennen, leichter, sich in einem großen Sortiment zurechtzufinden, da sie genau wissen, wonach sie suchen. Konsumenten, die sich hingegen kaum mit einer bestimmten Produktkategorie auskennen, werden sich von der Vielfalt an Optionen schnell überfordert fühlen. Sie wissen oft nicht, auf welche Produkteigenschaften es wirklich ankommt und was für sie am besten ist.

Es liegt an den Unternehmen, den „Kundennutzen“ transparent darstellen, und zwar in Relation zu den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen der Käufer.

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen Entscheidungsangst und Verunsicherung auf Kundenseite signifikant reduzieren können, wenn sie ihnen ein unterstützendes System für die Entscheidungsfindung anbieten.

Es geht darum, potenzielle Kunden abzuholen, herauszufinden, was sie wirklich erreichen wollen, wo ihr Kernziel liegt, um ihnen die notwendige Orientierung im Produkt-Dschungel, geben zu können.

Viele Unternehmen setzen daher auf “Guided Selling”, also Verkaufsführung. Sie bietet Kunden die personalisierte Beratung, die sie brauchen, um sichere Kaufentscheidungen zu treffen.

Bosch Kaufberater
Wer bei Bosch nach einem Produkt sucht, wird direkt mithilfe des AI-gesteuerten Produktberaters durch den Entscheidungsprozess geführt.

Dieses Vorgehen erleichtert Kunden die Entscheidungsfindung enorm, da sie genau das Angebot erhalten, das sich nach ihren Bedürfnissen richtet.

Problem 2: Konsumenten werden schnell entscheidungsmüde

Entscheidungen zu treffen, ist anstrengend. Weshalb Menschen meistens tun, was sie immer tun. Sie kaufen dieselben Marken, fahren denselben Weg zur Arbeit und in denselben Urlaubsort.

Dieses Phänomen nennt die Wissenschaft “Entscheidungsmüdigkeit” (Decision fatigue) und wurde in zahlreichen Studien untersucht:

Entscheidungsmüdigkeit entsteht, wenn zu viele Entscheidungen über einen bestimmten Zeitraum getroffen werden müssen. Zu Beginn eines Entscheidungsprozesses wägen Nutzer ihre Auswahl sorgfältig ab. Über einen Zeitraum wird die mentale Kraft von den Bemühungen erschöpft, all die verschiedenen Kompromisse abzuwägen.

Je mehr Entscheidungen eine Person treffen muss, umso weniger ist sie bereit Kompromisse einzugehen und umso schwerer fällt es ihr, eine endgültige Kaufentscheidung zu fällen.

Egal, ob es sich um kleine, große, einfache oder schwere Entscheidungen handelt: Laut der amerikanischen Psychologin Dr. Kathleen Vohs sind Entscheidungen genauso ermüdend, wie körperliche Anstrengung, da sie uns Energie kosten.

Sobald die Entscheidungsmüdigkeit einsetzt, sucht das Gehirn deshalb nach dem einfachsten und schnellsten Lösungsweg. Dadurch steigt die Gefahr, dass es nicht die beste Entscheidung trifft und der Kunde am Ende einen Fehlkauf tätigt, der bereut wird.

Bei der Gestaltung Ihrer Website oder mobilen App ist es wichtig, die Entscheidungsmüdigkeit zu berücksichtigen, da die Nutzer nur eine begrenzte kognitive Aufmerksamkeitsspanne haben. Werden sie mit zu vielen Entscheidungen und Optionen konfrontiert, kann dies zur Überforderung führen. Sie verleiten zur Wahl des kognitiv einfachen Weges, überhaupt keine Entscheidungen zu treffen und Ihre Website komplett zu verlassen.

Je leichter Sie es Ihren Kunden machen, unterschiedliche Optionen miteinander zu vergleichen, umso eher werden diese eine Kaufentscheidung treffen.

1) Heben Sie die beste Kaufoption hervor

Es kommt eher zu einem Kaufabschluss, wenn ihr Sortiment ein dominantes Produkt hervorhebt, dass Sie besonders empfehlen können.

Der Elektronikanbieter Teufel hebt eine Top-Empfehlung klar hervor, bietet aber gleichzeitig zwei passende Alternativen an.

2) Kuratieren Sie Ihr Sortiment

Anstatt Kunden das komplette Sortiment anzuzeigen, wird auf Basis der Kaufhistorie und den identifizierten Präferenzen eine dynamisch vorselektierte Auswahl zusammen gestellt. Mit jeder Bestellung und Interaktion kann das angezeigte Sortiment besser personalisiert und kuratiert werden, um so zielsicherer auf Kundenwünsche einzugehen.

Kuratieren Sortiment
Möglichkeiten zum Kuratieren des Sortimentes, Quelle: Zalando

3) Kategorisieren Sie Ihre Produkte sinnvoll

Kategorisieren Sie Ihr Sortiment anhand der Eigenschaften, die für Ihre Kunden am sinnvollsten sind. Diese Kategorien helfen Konsumenten, sich auf die gesuchten Produkte zu konzentrieren und unnötige Informationen auszublenden. Den Kunden wird somit Klarheit verschafft und der Fokus kann besser auf die Kaufentscheidung gerichtet werden.

The BodyShop kategorisiert das Sortiment nach Hauttypen und hilft Konsumenten damit die Auswahl zu reduzieren


Problem 3: Konsumenten scheuen Alles-oder-Nichts-Entscheidungen

Zu viel Auswahl mag der Mensch nicht, das scheint seit einiger Zeit klar zu sein.

Die Studie von Daniel Mochon von der Tulane University in New Orleans zeigt aber noch eines: Zu wenige Optionen dürfen es auch nicht sein, selbst dann nicht, wenn der Kunde schon genau weiß, was er will.

Mochon beobachtete, dass auch eine radikal reduzierte Auswahl abschreckt. So zum Beispiel bei Unterhaltungselektronik: Bestand das Angebot nur aus einem DVD-Player, den die Probanden grundsätzlich gut fanden, verzichteten bis zu 91 % der Teilnehmer. Präsentierte der Psychologe hingegen eine zweite Option, sah die Sache anders aus. Nur etwa ein Drittel der Probanden verweigerte unter diesen Bedingungen eine Entscheidung, die anderen trafen zu etwa gleichen Teilen eine Wahl für das eine oder das andere Gerät.

Kunden scheuen Alles-oder-Nichts-Entscheidungen, so Mochon.


Unternehmen sollten sich überlegen, wie sie ihren Kunden die Optionen präsentieren. Die Einschränkung der Optionen kann sich nachhaltig auf die Kaufentscheidung auswirken. Konsumenten, denen zunächst nur eine Option angeboten, suchen mit größerer Wahrscheinlichkeit weiter nach Alternativen, auch wenn später andere Optionen angeboten werden.

Daniel Mochon

Auch Professor Itamar Simonson von der Stanford GSB kommt in seiner Forschungsarbeit zu diesem Ergebnis:

Konsumenten schätzen ein größeres Sortiment – doch das hängt davon ab, an welcher Stelle sie sich in ihrem Entscheidungsprozess befinden.

Wenn jemand zum Beispiel überlegt, ob er oder sie ein neues Auto kaufen soll, dann wird dieses Interesse durch ein großes Angebot an unterschiedlichen Modellen eher geschürt. Wird es hingegen konkreter und es geht um die Frage, welches Auto es werden soll, dann kann eine zu große Auswahl dem letztendlich Kaufabschluss eher im Wege stehen. 

Daher unser Tipp: Versetzen Sie sich immer in Ihre Kunden hinein: Sieht sich ein Interessent nur mal um oder hat er bzw. sie tatsächliche Kaufabsichten? Die Kunst liegt darin, die Balance zu finden: Sie sollten zum einen ein überzeugendes Sortiment bieten, um potentielle Käufer anzuziehen, und diesen gleichzeitig die nötige Unterstützung bieten, das für sie passende Produkt zu finden, ohne von einer großen Auswahl überfordert zu werden. Dafür müssen Sie die individuellen Bedürfnisse Ihrer Kunden kennen und Ihnen eine kleinere Auswahl der Produkte in ihrem Sortiment präsentieren.

Fazit: Ihre Kunden brauchen Ihre Unterstützung

Um dem Auswahlparodox entgegenzuwirken und Ihren Kunden die Kaufentscheidung zu erleichtern, sollten Sie ein System und passende Strategien entwickeln. Zusammenfassend sind die wichtigsten Schritte dabei wie folgt:

  1. Reduzieren Sie die angezeigten Optionen auf Basis der Kaufabsicht ihrer Kunden. 
  2. Unterstützen Sie Ihre Kunden dabei, ihre Vorlieben und Bedürfnisse zu definieren.
  3. Organisieren und personalisieren Sie Ihr Sortiment mit entsprechenden Produktkategorien (z.B. nach Personas oder Interessen).
  4. Optimieren Sie Ihre Produktkategorisierung.
  5. Heben Sie die dominante Kaufoption stets hervor und stellen Sie die Hauptunterschiede zwischen ähnlichen Produkten übersichtlich gegenüber.

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